Aktuelle Debatten über Bespitzelung durch Imame der DITIB

7.2.2017

Stellungnahme DITIB Nord

In den letzten Wochen werden sowohl in den Medien als auch in politischen Diskussionen intensive Debatten über die Rolle der islamischen Verbände in Deutschland geführt.

Besonders aufgeheizt drehen sich die Diskussionen hierbei um DITIB, bzw. um die Vorwürfe, wonach die Imame der DITIB, Personen aus dem Umkreis der Moscheegemeinden ausspioniert und vertrauliche Informationen nach Ankara weitergeleitet haben sollen.

Unser Bundesverband DITIB hat unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe am 15. Dezember 2016 in seiner Presseerklärung verlautbart, daß diesen Vorwürfen nachgegangen und für eine maximale Transparenz und Aufklärung gesorgt wird. DITIB arbeitet derzeit intensiv an der Aufklärung dieser Vorwürfe.

Unabhängig von diesen Untersuchungen können wir jedoch eine Beteiligung unserer Imame aus dem Tätigkeitsgebiet der DITIB Nord an Bespitzelungen jedweder Art ausschließen.

Sollte sich jedoch trotz unserer aktuellen Erkenntnislage und wider Erwarten doch eine Beteiligung einzelner Imame aus dem Bereich der DITIB Nord herausstellen, so werden wir dies als Amtsmissbrauch werten und unverzüglich die Abberufung der jeweiligen Imame bei der Diyanet fordern. In solch einem Fall wäre die Vertrauensgrundlage zwischen dem Imam und der Gemeinde zutiefst erschüttert und eine Zusammenarbeit, die im Bereich der religiösen Dienste nötig ist, wäre nicht mehr realisierbar. Denn der Imam ist nicht nur Vorbeter. Er ist Lehrer, Ansprechpartner, Seelsorger und theologische Instanz und somit wichtigste Respektperson der Gemeinde. All dieses setzt ein hohes Maß an Vertrauen in seine Person voraus.

Vertrauen ist auch der Leitgedanke, der vor wenigen Jahren uns zu einem historischen Abschluss der Staatsverträge geführt hat.

In diesem Sinne ist DITIB Nord ein Vertragspartner der Freien und Hansestadt Hamburgs und auch ein wichtiger Wegbereiter der Verträge zwischen islamischen Religionsgemeinschaften und unserer Stadt Hamburg. Mit der Einbürgerung der Muslime und damit des Islams haben diese Verträge trotz der Normalität ihrer Existenz eine historische Bedeutung.

Die für unsere Hansestadt Hamburg charakteristische Multikulturalität und die Förderung des Toleranzgedankens für andere Religionen und Weltanschauungen, sowie unser Engagement für eine liberale und offene Gesellschaft, in der unsere Unterschiede als Bereicherung und nicht als Konfliktursachen gesehen werden, sind selbstverständliche Wertegrundlagen des Islams, die für uns auch ohne die Verträge eine besondere Grundlage unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens und Handelns bilden.

Somit sind diese Verträge für die Hamburger Muslime auch zugleich eine Orientierungsgrundlage für ein von gegenseitiger Anerkennung und Akzeptanz geprägten gesellschaftlichen Miteinanders.

Leider wird unsere Vorstellung von einem gedeihlichen Miteinander nicht von allen geteilt. Es gibt auch Stimmen, die in schwierigen Zeiten die Auflösung der Verträge, mit den Muslimen und somit mehrere Schritte zurückfordern anstatt das Gespräch zu suchen.

Dies würde unseren gemeinsamen gesellschaftlichen Entwicklungsprozess der letzten Jahre, der auf viel gegenseitigem Vertrauen gewachsen und gediehen ist, nicht fördern, stattdessen aber die Stimmen der Menschen stärken, die uns spalten und Konflikte schüren wollen, und somit einen Schaden für unsere ganze Gesellschaft anrichten.

Im Lichte dieser Gedanken und im Bewusstsein unserer gesellschaftlichen Verantwortung werden wir uns auch in Zukunft für ein gedeihliches Miteinander in unserer Gesellschaft einbringen.

Hierbei erscheint es uns auch als sehr wichtig in unserer Rolle als Religionsgemeinschaft mit unseren religiösen und sozialen Zielsetzungen wahrgenommen zu werden. Seit Gründung der Landesverbandsstrukturen und Schaffung einer zivilgesellschaftlichen Organisationsstruktur Anfang 2009 hat die DITIB große Leistungen im Bereich des zivilgesellschaftlichen Engagements für Teilhabe, Integration und Partizipation vollbracht.

Besonders DITIB Nord ist ein wichtiger Förderer der Integration und der gesellschaftlichen Partizipation der Muslime in dieser Gesellschaft. Wir fördern den Gedanken des Miteinanders und sehen in unseren kulturellen und religiösen Unterschieden und Vielfältigkeit eine wichtige Bereicherung für unsere plurale Gesellschaft. Diese Leitgedanken bilden auch die Grundlage unserer islamischen Jugend- und Frauenarbeit.

Mit ihrer offenen und dialogorientierten Jugendarbeit ist DITIB Nord ein wichtiger Akteur sowohl bei der Bekämpfung von Vorurteilen und anti-muslimischem Ressentiments als auch bei der Bekämpfung von Extremismus und demokratiefeindlichen Tendenzen jeglicher Art, Menschenhass und Antisemitismus.

Die Förderung des Demokratiegedankens sowie die Förderung des Zugehörigkeitsgefühls für unsere Gesellschaft und Wertegemeinschaft gehören als islamische Religionsgemeinschaft zu unseren wichtigsten sozialen Zielsetzungen. Diese Grundhaltung speist sich vor allem aus unserem liberalen und vernunftorientiertem Islamverständnis.

Hier ist unsere Orientierung an dem Religionspräsidium in der Türkei eine wichtige Grundlage, weil die Diyanet für eine über 500-jährige Glaubens- und Wissenstradition steht. Unsere Verbindung zu Diyanet beschränkt sich jedoch nur auf die religiös-theologische Ebene, somit auf den Inhalt unserer religiösen Dienste. DITIB und DITIB Nord sind in ihrer Struktur nach dem hier geltenden Vereinsrecht organisiert und als solches sind wir in allen Bereichen unserer Arbeiten, als freie Vereine, unabhängig von der Diyanet. Es erfolgt in keinster Weise eine Einmischung seitens der Diyanet in unsere Arbeiten vor Ort.

Dies sind unsere Grundhaltungen und Handlungen, auf deren Grundlage wir auch in Politik und Gesellschaft wahrgenommen und verstanden werden möchten.

Wir begrüßen daher die Pressemitteilung unseres Bundesverbandes DITIB, bei der die nötigen Konsequenzen, inklusive struktureller Änderungen angekündigt werden, und auch angekündigt wird, das Verhältnis zur Diyanet sowie die Kooperationsbereiche mit der Diyanet in religiösen und theologischen Themen klarer zu formulieren.

Die Hamburger Muslime sind gleichberechtigte, gleichwertige Mitbürger unseres Landes und haben ein klares Bekenntnis zu unserer Gesellschaft und zur freiheitlich demokratischen Grund- und Werteordnung. Sie sind ein dauerhafter und hier verwurzelter Teil unserer Gesellschaft und setzen sich ebenfalls zum Wohle dieses Landes, welches sie als ihre Heimat begreifen, ein.

Im Sinne dieses Selbstverständnis der Muslime in Hamburg wird DITIB Nord auch in Zukunft ihr Engagement für eine offene und liberale Gesellschaft, in der die gegenseitige Wertschätzung und Akzeptanz sowie die Achtung vor anderen Religionen und Weltanschauungen die Säulen unseres Zusammenlebens bilden, einbringen.

Wir erhoffen uns in dieser Haltung weiterhin die Unterstützung unserer Gesellschaft, und die Unterstützung seitens der politisch Verantwortlichen und danken unseren Dialog- und Netzwerkpartnern für die Zusammenarbeit bislang.

Muslime und Nicht-muslime tragen gemeinsam die Verantwortung für die Zukunft Hamburgs.

Es ist unsere Aufgabe, diese Zukunft gemeinsam noch besser zu gestalten!

DITIB Nord

Anhang zum herunterladen:

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DITIB Nord - Stellungnahme.pdf


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